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09-07-2022

Ein nimmermüder Akku aus Ostschweizer Produktion

Mangelnde Speichermöglichkeiten für Strom bremsen die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien noch. Das Ausserrhoder Unternehmen High Performance Battery will mit einer neuen Generation von langlebigen Feststoff-Akkus Abhilfe schaffen.

«Wir haben alles, nur keinen Bill Gates», sagt Thomas Lützen­rath, COO der in Teufen domizilierten High Performance Battery Holding AG (HPB).

Besagter Bill Gates hat sich an der Firma QuantumScape lnc. in den USA beteiligt, die Feststoff-Akkus produzieren will. Inzwischen hat sich auch Volkswagen 30 Prozent dieses Unter­nehmens gesichert-für 300 Millionen Dollar. Eine Milliarde hat das Unternehmen, nicht der einzige potenzielle Konkur­rent, schon eingesammelt. Aber «der Chemie ist der Konto­stand egal, es muss am Ende funktionieren».

Beim Ostschweizer Unternehmen sieht es umgekehrt aus. «Wir haben Schutzrechte, wir haben den Beweis, dass unser Prozess funktioniert», erklärt Thomas Lützenrath. Was fehlt, ist ein dreistelliger Millionenbetrag. Mit rund 100 Millio­nen Franken könnte die Swiss Clean Battery AG als Lizenz­nehmerin der HBP eine erste Gigafactory bauen.

30 Jahre gezielte Forschung

Das Know-how, dass die Konkurrenz in den USA erst erarbeiten muss, ist bei der H PB vorhanden. Der Chemiker Günther Hambitzer, heute CEO und Verwaltungsratspräsi­dent des Unternehmens, hat forscht seit 30 Jahren, begin­nend an der Universität Witten-Herdecke und am Fraun­hofer-Institut in Pfinztal, an einer Frage: Warum altern Batterien? «Dieses Problem haben wir an der Wurzel gelöst», betont Thomas Lützenrath. Deshalb hat sich die H PB neben dem Firmenlogo das Symbol der Unendlichkeit gegeben.

Die noch flüssige Vorläufertechnologie wurde bereits in den USA industriell gefertigt und ein Container zur Netz­stabilisierung erfolgreich ausgeliefert und eingesetzt. Im Labor hat diese Technologie 50'000 volle Ladezyklen gezeigt. Dieses flüssige System konnte durch die HPB zwischenzeitlich zu einem Feststoffakku mit nochmals ver­besserten Eigenschaften weiterentwickelt werden.

langlebiger Akku

Bei heutigen Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigem Elektro­lyten nimmt die Leistung kontinuierlich ab, die Lebensdauer ist auf etwa 3'000 Ladezyklen begrenzt. Der H PB-Feststoff­Akku mit festem Elektrolyten hingegen ist sehr langlebig und verliert fast keine Leistung beim Laden und Entladen, weil sich die üblichen Beläge nicht bilden.

Der Clou dabei: Für den Bau dieser Akkus braucht es keine seltenen Erden oder andere umstrittene Rohstoffe.

«Da ist kein schwierig zu bekommender Rohstoff drin, nichts, was umweltkritisch wäre», sagt Thomas Lützenrath. «Wir bauen Akkus aus Schwefeldioxid, Schwefel-Eisen-Gemi­schen und Graphit.» Auch die Hülle soll anders sein: «Wir arbeiten mit Edelstahl, die anderen mit Aluminiumhüllen.»

Bessere Umweltbilanz

Den Akku nach H PB-Technologie soll es vorerst in einer nor­mierten Grösse geben. Eine Zelle hat bei einer Spannung von 3,2 Volt eine Kapazität von 50 Amperstunden. Ein Einsatz als Akku für kleinere Geräte wie Bohrmaschinen oder Consumer Electronics ist nicht geplant, die Anwendungen reichen von Stromspeichern zuhause oder in der Industrie bis zu Autola­destationen, auch ein Einsatz in Autos selbst wäre denkbar. Die passende Dimensionierung wird durch Pakete von meh­reren Zellen erreicht.

Der neue Feststoff-Akku dürfte gemäss Studie eine um mindestens 50 Prozent bessere Umweltbilanz aufweisen als herkömmliche Akkus. Tatsächlich dürften die Vorteile wesen­tlich grösser sein, wenn etwa die Schwierigkeiten beim Recy­cling von herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus manifest werden.

Das auf der Forschung von Professor Hambitzer basie­rende Know-how steckt in einer ganzen Reihe von Schutz­rechten, die alle der der High Performance Battery GmbH in Bonn gehören. Diese Patente verlagert die H PB AG vorerst nicht an den Schweizer Hauptsitz, weil bei der Ausfuhr sofort Steuern fällig würden. «Das würde viele unnütze Millionen kosten» sagt Thomas Lützenrath, deshalb sitze diese GmbH mit den Patenten in Deutschland, sei aber eine 100-Prozent­Tochter der HPB AG in Teufen.

Mögliche Standorte in der Ostschweiz

Thomas Lützenrath ist auch COO der Swiss Clean Battery AG, die in Lizenz die Technologie der H PB umsetzen soll. Die SCB ist in Frauenfeld angesiedelt, denn das Unterneh­men wollte in Wigoltingen die erste Gigafactory hochziehen, sobald die Finanzierung steht. Inzwischen ist dieser Standort, wo Einsprachen drohen, nicht mehr die beste Option,

«wir haben einige andere Angebote», erklärt Lützenrath. Dabei soll es sich um Grundstücke im Kanton Graubünden, St.Gallen, aber auch weitere Flächen im Thurgau handeln.

Die SCB möchte innert weniger Jahre in drei Etappen eine Produktionskapazität von 7,6 Gigawattstunden auf­bauen. Diese drei Etappen könnten auch in drei separaten Fabriken in einem nahen Umkreis realisiert werden, dann wären Synergien noch möglich. Beispielsweise bei den Mitarbeitern.

Mit Investitionen von rund 100 Millionen Franken soll der Start für die erste Fabrik mit 1,2 Gigawattstunden Produktions­kapazität (drei Produktionslinien a 400 Megawattstunden im Dreischichtbetrieb) fallen und rund 180 Mitarbeitern er­möglicht werden. In dieser Grösse hätte das Unternehmen bei voller Produktion einen Umsatz von über 300 Millionen Franken im Jahr und einen Unternehmenswert von etwa 1,3 Milliarden Franken - «bei einem vergleichsweise kleinem Investment also ein grosser Hebel», hält Thomas Lützenrath fest.

Die weiteren Ausbauschritte sollten gemäss Businessplan über Eigenkapital und Cashflowfinanziert werden können. Mit jeweils acht zusätzlichen Produktionslinien soll die Kapa­zität in der zweiten Etappe auf 4,4 Gigawattstunden und in der dritten Etappe auf7,6 Gigawattstunden steigen. Über

1'000 Mitarbeiter erwirtschafteten dann einen Umsatz von zwei Milliarden Franken, das Unternehmen wäre etwa acht Milliarden wert.

Zu gross gedacht sind die Produktionskapazitäten kaum, die grössten Batteriefabriken auf der Welt haben bis zu 120 Gigawattstunden Kapazität, stellen aber noch herkömm­liche Lithium-Ionen-Akkus her. Der Bedarf an Speichermög­lichkeiten für Strom wächst und wächst, «der Markt ist gigantisch», kommentiert Thomas Lützenrath.

Lebenswerk nutzbar machen

Die HPB will eine normale Schweizer Aktiengesellschaft sein, wie Thomas Lützenrath betont, «und alle Aktionäre gleich behandeln». Das macht die Kapitalbeschaffung bei Venture­capital-lnvestoren schwierig, weil diese jeweils Sonderrechte verlangten. Ideal wären gemäss Lützenrath andere Unter­nehmen vor allem aus der Ostschweiz als Investoren, nicht infrage kämen Teilhaber aus Fernost, die allenfalls das Wissen abzügeln würden.

Die HPB will nicht, dass ihre Technologie monopolisiert wird. Die H PB möchte ihr Know-how vielmehr in Lizenz an weitere Produzenten weitergeben. «Oberstes Ziel ist es, diese Technologie breit verfügbar zu machen», sagt Lützenrath.

«Professor Hambitzer möchte, dass sein Lebenswerk nutzbar gemacht wird.»

Ursprünglich plante das Unternehmen auch einen Bör­sengang noch in diesem Herbst, neue Optionen mit Grund­stücken zum Kauf statt zur Miete führten nun dazu, dass der Finanzierungsplan neu aufgestellt worden ist. «Das Modell kann man in Geschwindigkeit, Skalierung und Investment anpassen», sagt Lützenrath, «das hängt auch von den Inves­toren ab.» Bei potenziellen Investoren aus der Ostschweiz wird das Unternehmen nun vorstellig.

Der Bau einer Fabrik könne in 18 Monaten geschehen, die Bestellzeit für die Maschinen belaufe sich auf 15 Monate. Grundsätzlich benötigt die SCB für die Produktion den glei­chen Maschinenpark wie herkömmliche Akku-Hersteller und hat für die Skalierbarkeit ein starkes Partnernetzwerk aufgebaut.